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Paradoxe Trägheit beim Entscheiden

In ihrer Spiegel-Kolumne stellt Samira El Ouassil die Frage, ob die späte Reaktion der Politik auf das absehbare und vorhergesagte Ansteigen der Covid-Infektionszahlen im Herbst 2021 auf Unehrlichkeit oder Inkompetenz beruht. Sie zitiert Politiker, die „von der Dynamik überrascht waren“, obwohl die Simulationen der Epidemiologen ziemlich korrekt das tatsächliche Verhalten abgebildet haben (manche leugneten gar die Existenz dieser wissenschaftlichen Vorhersagen). Sie endet mit ihrer Fassungslosigkeit angesichts des Unvorbereitet-Seins des Staates gegenüber einer gut verstandenen Entwicklung.

Der Grund für diese nicht stattgefundene Vorbereitung auf die pandemische Entwicklung in der kälteren Jahreszeit liegt m.E. aber zwischen den Extremen Lüge und Dummheit. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen in der Tat, dass Menschen Probleme damit haben, dynamisch komplexe Systeme zu verstehen und zu steuern. So wurde u.a. gezeigt, dass

  • Rückkopplungen
  • Natur und Dauer von Verzögerungen
  • nicht-lineares, insbesondere exponentielles Verhalten
  • das Zusammenspiel von Bestands- und Flussgrößen

dazu führen, dass Entscheider in die Irre geleitet werden. Der Vorwurf der Inkompetenz ist daher naheliegend, allerdings kann man kaum davon ausgehen, dass politische Entscheider hier besonders schlecht performen. Im Gegenteil, es handelt sich wohl eher um eine relativ gut ausgebildete, erfahrene Gruppe von Personen, die darüber hinaus prinzipiell aus der Vergangenheit zu lernen im Stande ist.

War es daher Unehrlichkeit, d.h. ein bewusstes Ignorieren der Fakten und Handeln wider besseres Wissen? Wohl eher auch das nicht. Stattdessen schlage ich vor, hier von „paradoxer Trägheit“ zu sprechen, die es den Entscheidern erlaubt, Wissen zu ignorieren, ohne bewusst die Unwahrheit zu sagen. Diese Trägheit führt dann in Verbindung mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Bsp: die anstehende Bundestagswahl) dazu, dass eigentliche klare Aussagen der Wissenschaft ignoriert und Entscheidungen einfach nicht getroffen werden.

Die angesprochene Trägheit ist „paradox“, da

  • der Sachverhalt in den Grundzügen eigentlich klar ist (dynamische Parameter der Pandemie, Kapazität des Gesundheitssystems);
  • auch die grundsätzlichen Handlungsalternativen bekannt sind (z.B. Lockdowns, Impfungen, Testungen);
  • Nicht-Handeln eindeutig keine gute Option ist (wie die Szenarien gezeigt haben);
  • trotzdem der Eindruck emsiger Aktivität verbreitet wird, diese aber eher „Nebenkriegsschauplätze“ betrifft (Bsp.: Impfstatus eines einzelnen Fußballers).

In der Hoffnung, dass trotz Warnungen der Wissenschaft schon alles gut gehen würde (weil es momentan ja noch OK ist = Stand im Sommer 2021), lässt sich die dynamische Komplexität der Situation so nutzen, um einfach nichts (bzw. nichts zielführendes) zu tun. M.E. betrifft die paradoxe Trägheit aber nicht nur Politiker: der sich nur langsam wandelnde Umgang der Gesellschaft mit der Klimakrise lässt sich leider auch durch dieses Phänomen erklären (siehe auch Parmenidis Fallacy).

Systemrelevanz des Journalismus und seine fünf Defizite

In einem Gastbeitrag diskutieren Klaus Meier und Vinzenz Wyss u.a. die Systemrelevanz des Journalismus. Implizit wird dabei auch das Argument aufgegriffen, das hier schon verwendet wurde: journalistische Beiträge sind eben nicht nur pure Reflektion einer Wirklichkeit, sondern beinflussen diese auch.

Darüber hinaus listen sie in fünf Punkten Defizite auf, die sich in der aktuellen Berichterstattung zur Corona-Pandemie erkennen ließen:

  1. Mangelhafter Umgang mit Zahlen: Zahlengläubigkeit, falsche Interpretation
  2. Konzentration auf Einzelfälle statt Strukturen
  3. Intransparenz bezüglich der Informationsgrundlage von Meldungen
  4. Thematisch und meinungsmäßig verengte Berichterstattung
  5. Erschaffung von (in diesem Fall) Virologen als Medienstars

Kurz gefasst: Journalisten bräuchten eigentlich eine Ausbildung in Wissenschaftstheorie und -methodik.

„Persönliche“ Systemgrenze und Impfverhalten

In der lokalen Tageszeitung (SüdhessenMorgen, 08.01.2021) wurden Personen danach befragt, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht. Wenn man alle moralischen Erwägungen außen vor lässt, erscheint es mir so, dass diejenigen, die sich impfen lassen wollen, eine weitere persönliche Systemgrenze ziehen, als die, die sich eher nicht oder erst später impfen lassen wollen.

Zwei Aussagen zur Impfbereitschaft
3 Aussagen zur Impfbereitschaft

Die Antwortenden 1, 2 und 4 geben als Gründe dafür an, sich (vorerst) nicht impfen zu lassen, da sie für sich Impfreaktionen oder Nebenwirkungen erwarten bzw. vermeiden wollen. Das für sie relevante System sind also sie selbst. Die Antwortenden 3 und 5 beziehen sich in ihren Gründen, weswegen sie sich impfen lassen wollen, auf den Schutz auch anderer Menschen. Sie wählen also eine weitere Systemgrenze für ihre Entscheidung. Je nach gewählter Systemgrenze sind beide darauf resultierenden Entscheidungen rational.

Hier könnte ein Ansatz liegen, um persönliche Entscheidungen aus systemischer Sicht zu verstehen, ohne vorschnell moralische Urteile fällen zu müssen.

NB: Es ist mir klar, dass die Fallzahl sehr klein ist (n=5) und die Aussagen eventuell von der Zeitung auch noch redigiert wurden.

Schwierigkeiten beim Einschätzen dynamischer Entwicklungen

Dass dynamische Phänomene schwierig zu verstehen und einzuschätzen sind, hat die psychologische, soziologische und systemdynamische Forschung vielfältig gezeigt. Insbesondere über die Fehlerhaftigkeit mit der wir exponentielle Prozesse interpretieren, wurde auch im Rahmen der Covid-Krise bereits vielfältig diskutiert.

Trotz Beratung ist auch die Politik davor nicht gefeit. In der Talkshow von Markus Lanz am 07.01.2021 hat der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow das in bemerkenswerter Offenheit geschildert. Hier ein Transkript einiger seiner Aussagen:

„Ich habe mich von Hoffnungen leiten lassen, die sich jetzt als bitterer Fehler zeigen. […] Die Zahlen, Daten und Fakten hatten wir alle vorliegen. Es ist ein menschlicher Versuch, dass man den leichteren Weg glaubt gehen zu können. […] Wir stehen in einer Situation, die wir uns im Sommer nicht haben vorstellen wollen — können, ja, aber wollen, nein. […] Die wissenschaftliche Beratung hat uns die Entwicklungsgraphen gezeigt. […] Ich werde von der Dynamik überrascht. Weil diese Dynamik war nach den Erfahrungswerten, die wir hatten, nicht für uns abbildbar. […]“

Markus Lanz, Bodo Ramelow, 7.1.2021

Interpretation von Prozentangaben

Die vielbeachtete Studie von Streeck et al. (2020) ergibt eine Sterblichkeitsrate von 0,38% für COVID-19 auf Grundlage der Daten aus Heinsberg. Dieser niedrig erscheinende Wert wird nun vielerorts so interpretiert, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens hinfällig, da übertrieben seien. Natürlich kann über die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen diskutiert werden (auch wenn mir diese im Großen und Ganzen aufgrund des allgemeinen Vorsichtsprinzip grundsätzlich als sehr sinnvoll erscheinen). Die Interpretation der Sterblichkeitsrate verlangt aber m.E. dringend eine vorsichtigere Herangehensweise:

  1. Die Sterblichkeitsrate von 0,38% erscheint gering; in absoluten Zahlen ergäben sich aber beispielsweise mehr als 300.000 Tote für Deutschland. Insbesondere wenn diese in kurzer Zeit sterben würden, ist das eine durchaus merkliche Zahl von Opfern.
  2. Die ursprünglichen Annahmen bzgl. der Sterblichkeitsrate lagen — basierend auf den Daten aus China und Italien — bei 2-3% . Dass diese nun geringer auszufallen scheint, kann im Nachhinein den Entscheidern nicht als Fehler vorgeworfen werden; das wäre unlogisch und/oder unethisch.
  3. Die eben genannten Sterblichkeitsraten in China und Italien basierten teilweise auf einem Zusammenbruch der intensivmedizinischen Versorgung, die durch die Maßnahmen in Deutschland ja verhindert werden sollte und bis heute auch verhindert wurde; die relativ geringe Todesrate ist also wohl ein Erfolg der Maßnahmen und der medizinischen Betreuung, siehe Präventions-Paradox.
  4. Die Berechnung des Werts 0,38% basiert auf einer relativ kleinen Zahl Gestorbener (nämlich 7). Nur drei Tote mehr oder weniger (bei falschen oder fehlenden Daten) ändert diesen schon relativ stark auf 0,51% bzw. 0,20%.

Die Lösung der Koronakrise verlangt systemische Einsicht

Elizabeth Sawin schreibt in einem Kommentar auf USNews, dass COVID-19, Ungleichheit und Klimakrise zusammen betrachtet werden müssen (Why We Can’t Ignore the Link Between COVID-19, Climate Change and Inequity). Ursache und Wirkung der Corona-Krise sind in vielfältigen Rückkopplungsbeziehungen miteinander verwoben, beispielsweise:

Der Wunsch, als Reaktion auf die ökonomischen Folgen von Corona Umweltstandards zu senken oder auszusetzen, ist daher nicht nur von politischen Überlegungen getrieben, sondern führt langfristig auch nicht zu einem erfolgreichen Ergebnis. „Multisolving“ ist gefragt:

Obwohl es natürlich menschlich verständlich und für manche Weltanschauungen auch politisch opportun ist, die COVID-19-Pandemie als einen isolierten Sachverhalt zu betrachten, auf den man sich jetzt alleinig fokussieren sollte, handelt es sich doch um ein komplexes Problem. Solche Probleme haben keine isolierten Lösungen, sondern verlangen eine systemische Analyse und Lösungsansätze, die an verschiedenen Punkten ansetzen.

Scheinkorrelation als rhetorisches Mittel

In einem Mirror-Artikel vom 17.03.2020 wird Jonathan Van-Tam, der stellvertretende Chief Medical Officer von England, zitiert: „I don’t want to go into enormous detail into every single risk group but we are saying it is the people who are offered flu vaccines, other than children, who fit into that risk category, people for whom the advice is very strong about social distancing.“

Als rhetorisches Mittel verwendet er hier eine Scheinkorrelation, um sein Argument zu vereinfachen. Graphisch dargestellt:

Van-Tam argumentiert also mit 3., die bekannten Kausalitäten sind aber 1. und 2.: die bekannten Risikofaktoren führen sowohl dazu, dass man wahrscheinlich eine Grippeimpfung bekommen hat als auch dass die Gefährdung durch COVID-19 höher ist. Statistisch führt das dann tatsächlich zum Auftreten einer Korrelation zwischen Grippeimpfung und Gefährdung (weswegen der Begriff „Scheinkorrelation“ auch missverständlich ist), obwohl kein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Das ist natürlich zur Vereinfachung legitim (und er hat es sicher auch richtig verstanden), führte aber prompt zu absichtlichen oder unabsichtlichen Fehlinterpretationen, die eine kausale Verbindung von Grippeimpfung als Ursache der Gefährdung durch COVID-19 impliziert. So lässt schon die Überschrift des Mirror einigen Interpretationsspielraum zu: „Coronavirus: Top medic warns anyone who gets the flu jab should stay at home“. Auf Facebook wird es dann zeitweise richtig falsch: „In England reihen Regierung und höchste Stellen des Gesundheitswesens all jene über 65-Jährigen, die die normale Grippe-Impfung erhalten haben, in die Gruppe der Höchstgefährdeten ein…“ (siehe auch hier).

Welche Konsequenzen ergeben sich aus einer systemischen Sicht auf die Corona-Pandemie?

In einem Blogbeitrag kritisiert Werner Boysen, dass beim Umgang mit der COVID19-Krise eine systemische Sicht häufig fehlt. Während ich seine Grundannahmen teile (und hier kurz noch auf zwei zusätzliche Punkte eingehen will), ergeben sich trotzdem für mich andere Konsequenzen als er andeutet. Doch zunächst zur Zustimmung: Boysen hat sicher recht, wenn er sagt, dass die Corona-Pandemie längst nicht mehr nur ein medizinisches Problem darstellt und folgerichtig auch Lösungen nicht nur im Bereich der Medizin gefunden werden müssen und können; mit anderen Worten, eine systemische Sicht ist notwendig.

Mehr noch, eine rein auf das Medizinische fokussierte Sicht ist m.E. simplifizierend und scheinheilig. Einerseits simplifizierend, da — insbesondere wenn man dynamische Aspekte berücksichtigt — beispielsweise ein völliges Einbrechen der Wirtschaft langfristig auch zu Problemen in der angemessenen medizinischen Versorgung der Bevölkerung führen würde (siehe auch das Interview mit Gerd Antes auf Spiegel Online).

Andererseits ist das scheinheilig, weil eine Abwägung zwischen medizinischem Optimum und anderen Werten natürlich immer schon gemacht wurde (siehe auch diesen Artikel von Wolfgang Mayerhöfer aus der FAZ), sich nur in hoch-entwickelten Gesellschaften mehr und mehr Richtung Gesundheit/Sicherheit verschiebt. Dass die Gesundheit über allem steht, ist aber auch bei uns gar nicht so selbstverständlich, wie es nun dargestellt wird, ansonsten gäbe es ein Tempolimit auf Autobahnen, wären die Kohlekraftwerke abgeschaltet und würden keinerlei Waffen exportiert. Es werden also durchaus medizinische Risiken eingegangen, um andere Ziele zu erreichen — die Auswirkungen liegen oft nur nicht zeitliche und räumlich so nahe, wie jetzt bei der Pandemie.

Trotz dieses Befundes stimme ich nicht mit der implizierten Konsequenz im Boysens Blog überein, die momentanen (02.04.2020) Restriktionen für Gesellschaft und Wirtschaft schnell aufzuheben. Mit diesen Einschränkungen erkaufen wir uns Zeit: 1. um die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Krankeit und ihrer Ausbreitung besser zu erforschen (siehe auch hierzu das oben erwähnte Interview); 2. um Impfstoffe und/oder Medikamente gegen sie zu entwickeln; und 3. um die eben angesprochenen Trade-offs zwischen medizinischem Optimum und anderen gesellschaftlichen Zielen politisch aufzulösen bzw. neu zu priorisieren. Täte man das nicht, besteht die Gefahr von Tausenden von Toten, einer — im Gegensatz bspw. zu einem vorübergehenden Wirtschaftseinbruch — nicht mehr reversiblen Konsequenz. Diese Risikoabwägung im Sinne des General Precautionary Principle (Norman, Bar-Yam und Taleb; siehe auch hier) erscheint mir durchaus geboten. Auch wenn evtl. im Nachhinein die Maßnahmen als übertrieben dargestellt werden (siehe Kassandra-Paradox). Darüber nachzudenken, wie der gegenwärtige Zustand überwunden und was daraus für andere Krisen gelernt werden kann, ist aber gleichermaßen notwendig.

Krisenvergleich (aus dynamischer Perspektive)

Kann man die Corona-Pandemie (CP) und die Klimakrise (KK) vergleichen? In vielerlei Hinsicht wohl nicht, in dynamischer Perspektive aber schon (siehe auch diesen Artikel in Resilience). Bei beiden handelt es sich um globale Herausforderungen, die aber unterschiedliche Zeitkoeffizienten aufweisen (“COVID-19 is climate on warp speed”, Gernot Wagner zitiert auf Yale Environment 360). Für beide gibt es technische, verhaltensbasierte und systemische „Lösungen“, wobei das nicht ein völliges Ausbleiben von negativen Folgen meint (dafür ist es bei beiden zu spät), sondern ein wie auch immer tatsächliches oder empfundenes Im-Griff-haben.

  • Voraussichtliche Dauer: 2 Jahre (CP; nach dieser Zeit ist sehr wahrscheinlich ein Impfstoff gefunden bzw. Herdenimmunität erreicht) — 100 Jahre (KK; die globale Erwärmung ist schon im Gange und selbst bei sofortigen sehr starken Maßnahmen aufgrund langer Verzögerungen nicht aufzuhalten)
  • Bekannt seit: Dez. 2019 (CP; erste Berichte in Presse zu einer neuen Lungenkrankheit in China) — 1992 (KK; Klimarahmenkonvention der UN in Rio, aber eigentlich natürlich schon viel länger, insbesondere die physikalischen Grundlagen)
  • Schätzung Anzahl stark Betroffener: mehrere Tausende/Zehntausende/Hunderttausende (CP; je nach Effektivität der durchgeführten Maßnahmen) — Millionen bis Milliarden (KK; je nach Effektivität der durchgeführten Maßnahmen )
  • Insbesondere betroffene Bevölkerung: Ältere und Menschen mit einschlägigen Vorerkrankungen (CP) — Ärmere Nationen bzw. ärmere Bevölkerungsgruppen in reichen Nationen (KK)
  • Technische Lösungen: Schutzmasken, Impfstoff, Medikamente (CP; ggf. Nebenwirkungen) — Energieeffizienz, CO2-freie Energieerzeugung, Kohlenstofflagerung, Geoengineering (KK; insbesondere bei Letzterem mit unbekannten Nebenwirkungen)
  • Verhaltensbasierte Lösungen: Physische Distanzierung, Händewaschen, kein Händeschütteln, Vermeiden von Menschenansammlungen, Quarantäne (CP) — Konsumverzicht bzw. -veränderung, weniger Fernreisen, weniger Fleischverzehr, bewusste Energieeinsparung (KK)
  • Systemische Lösungen: Infrastruktur zur Kommunikation trotz physischer Distanz, Kapazitäten im Gesundheitswesen aufbauen insbesondere Beatmungsplätze, Heimarbeit ermöglichen (CP) — Umbau des Wirtschaftssystems, mehr Kooperation, mehr Regionalität, nachhaltiges Wirtschaften fördern, weniger Erwerbsarbeit (KK)

Das Kassandra-Paradox

Das Kassandra-Paradox oder Kassandra-Dilemma (auch als Prävention-Paradox bezeichnet; siehe auch hier) beschreibt den Sachverhalt, dass gelungene Interventionen im Nachhinein scheinbar die Unrichtigkeit der ursprünglichen Prognose bestätigen. Donella Meadows hat das schon 1999 schön beschrieben:

“To Cassandra the god Apollo gave the ability to foresee the future, and then, after she displeased him, the terrible curse that no one would ever believe her. That story shows the ancient Greeks’ sophistication about the perverse logic of prognostication. If people had believed her, then Cassandra wouldn’t have been able to foretell the future, because action would have been taken to avoid foreseen disasters. […] A predictable world has no room for choice; a choosable world is not predictable.”

Kassandra (Mitte) zieht mit der rechten Hand Lose und sagt in Gegenwart des Priamos den Untergang Trojas voraus. (Fresko aus Pompeji, Archäologisches Nationalmuseum Neapel)

Beispiele aus den 1980er-Jahren stellen das damalige Waldsterben bzw. den Verlust der Ozonschicht der Atmosphäre dar. Diese Probleme wurden durch Einsatz von Rauchgasentschwefelung bzw. dem Verbot von FCKW-Gasen insbesondere in Kühlanlagen deutlich vermindert mit der Folge, dass die urprüngliche Problematik teilweise als übertrieben oder als falsch wahrgenommen wurde. Der gleiche Effekt ist auch bei der gegenwärtigen COVID-19-Krise zu erwarten (und scheint auch bei früheren Epidemien eingetreten zu sein). Ein Artikel im betriebswirtschaftlichen Kontext ist Repenning/Sterman: Nobody Ever Gets Credit for Fixing Problems that Never Happened, California Management Review, 2001.