In ihrem 59. Podcast vom 14.10.2022 sprechen Lanz und Precht über die Studie zu den Grenzen des Wachstums von 1972 (auch „Club-of-Rome-Studie“ genannt). Die Kernaussage des Berichts haben sie dabei wohl verstanden (31:33), nämlich dass unendliches Wachstum nicht auf endlichen Ressourcen basieren kann. Viele ihrer Anmerkungen zeigen jedoch, dass sie die Methode Modellierung/Simulation zum Erkenntnisgewinn nicht wirklich begreifen oder es sich im Gespräch ein wenig zu einfach machen (und ja, natürlich darf jede Forschungsmethode kritisiert werden). Nachfolgend eine Auswahl von kritisch zu sehenden Bemerkungen aus dem Podcast (hier nur paraphrasiert):
08:33 „in ein paar Jahrzehnten gibt es keinen Tropfen Öl mehr“: Öl ist keine Variable im Modell
09:12 „man hat den Status-Quo einfach in die Zukunft fortgeschrieben“: nein, auf aggregierten Niveau findet sich schon technischer Fortschritt im Modell; außerdem werden Zeitreihen nicht extrapoliert, sondern das Systemverhalten ergibt sich aus dem dynamischen Zusammenspiel von kausal verbundenen Variablen
11:47 „wenn die Vorhersagen eingetroffen wären“: bzgl. der Szenarien mit negativen Folgen zeigen sich diese in der Simulaton i.d.R. erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts, wir wissen jetzt also noch gar nicht schlussendlich, ob sie eintreten werden
12:50 „spätestens um 2100 sei eine Katastrophe unvermeidbar“: nein, diese ergibt sich ja gerade nicht in allen Szenarien, wenn menschliches Handeln die Ressourcenbeschränktheit berücksichtigt
07:45 „man könne die Zukunft mathematisch berechnen“ & 15:32 „Vorsicht vor mathematischen Prognosen“: über die Zukunft wird immer nachgedacht und Schätzungen darüber, wie sie wohl wird, fließen in alle Entscheidungsprozesse ein; wenn dies mathematisch geschieht, lässt es sich zumindest inter-subjektiv überprüfen; intuitive Schätzungen bleiben dagegen oft intransparent und unpräzise
14:26 „Bevölkerungswachstum einfach nach oben gerechnet“: eben nicht, Bevölkerung ist eine Variable im Modell, die in vielfältiger Weise von anderen Modellvariablen abhängt, z.B. auch von der wirtschaftlichen Lage
PS: Wie man differenzierter auch in populärwissenschaftlichen Medien mit der Limits-to-Growth-Studie umgeht, zeigt beispielsweise Ulrike Hermann in „Das Ende des Kapitalismus“ (2022), insbesondere S. 187ff. Durchaus kritisch zeigt sie Schwächen auf, hat aber offensichtlich grundsätzlich verstanden, worum es den Autoren damals ging (nämlich eben nicht um eine Punktvorhersage).