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Klimaanlagen und Erderwärmung

Zusammenfassung eines Videos heute (5.9.2018) auf der Facebook-Seite des Economist (ein zugehöriger Artikel findet sich unter diesem Link):

The more the Earth warms, the more people will need cooling. But the more air-conditioners there are, the warmer the world will become„.

Es handelt sich natürlich um eine einfache, selbstverstärkende Rückkopplung:

Fügt man dazwischenliegende Variablen (Mediatoren) in das Kausalitätendiagramm ein, so wird der Sachverhalt noch etwas klarer. Unter anderem wird dann auch deutlich, dass es sich eigentlich um zwei, teilweise zusammenlaufende Rückkopplungsschleifen handelt. Zwar sind beide selbstverstärkend, aber doch mit unterschiedlichem Zeithorizont und unterschiedlicher geographischer Relevanz: der Pfad über den Klimawandel ist langfristig und global wirksam, der Pfad über die Abwäre kurzfristig und lokal von Auswirkung.

Das systemische Denken bietet zwei grundsätzliche „Lösungsmöglichkeiten“ an:

  1. Durchschneiden der Loops: für den langfristig wirkenden rechten Ast des Diagramms etwa dadurch, dass die Energieerzeugung für Klimaanlagen auf nachhaltige Quellen (ohne CO2-Emission) umgestellt wird.
  2. Grenzen des Wachstums-Mechanismus: kein selbstverstärkender Loop wächst ewig weiter; Grenzen könnten beispielsweise durch die verfügbare Gesamtenergiemenge oder durch Ressourcenbeschränkungen der benötigen Materialien auftreten. Leider auch dadurch, dass die durch den Klimawandel ausgelösten Probleme so gewaltig werden, dass die Menschheit nicht mehr in der Lage ist, Klimaanlagen zu bauen.

 

Die Rüstungsspirale

Eine satirisch gemeinte Nachricht beim Postillon (24.4.2017) mit ernstem Hintergrund:

Hört sich witzig an, passiert aber genau so beim Wettrüsten und wird durch den Systemarchetypen „Escalation“ nach Peter Senge für zwei Agenten A und B gut beschrieben:

Verschlechtert sich die relative Position (Menge an Waffen, politische oder wirtschaftliche Macht etc.) von Land A gegenüber Land B, wird Land A aktiv (investiert, intrigiert o.ä.), was seine „Performanz“ erhöht und damit auch die relative Position gegenüber Land B. Dieses reagiert nun auf die Verschiebung durch eigene Aktivitäten, die auch zu höherer Performanz führen und dadurch die relative Position gegenüber A wieder stärken, wodurch sich A wieder genötigt sieht usw. usf.

Obwohl es sich um zwei balancierende Rückkopplungsschleifen handelt, schaukeln sich die Aktivitäten gegenseitig immer weiter auf (was balanciert wird, ist der relative Abstand zwischen den zwei Parteien). Als Lösungsmöglichkeiten schlägt Senge sehr abstrakt das Suchen nach „win-win“-Situationen vor oder das Durchschneiden der Schleifen durch „aggressive“ Friedensbemühungen.

Krankenkassen: Todesspirale Verringerung der Zusatzbeiträge

Basierend auf einem Plan von Gesundheitsminister Spahn, Krankenkassen mit hohem Finanzreserven zu zwingen, diese abzubauen, indem sie ihre Zusatzbeiträge verringern, spricht der Gesundheitsökonom Georg Wasem von einer Todesspirale für „schwache“ Krankenkassen, die dadurch ausgelöst werden könne (Spiegel Online vom 30.04.2018). Die Bürger würden nämlich vermehrt zu den Krankenkassen wechseln, die niedrige Zusatzbeiträge anbieten und die Not der schwachen Kassen dadurch verstärken.

Das Kausalitätendiagramm der Situation sieht so aus:

Zunächst ist anzumerken, dass der Mechanismus pro Krankenkassen wirksam wird, d.h. wir könnten auch ein separates Diagramm für jede Kasse erstellen. Vom Minister intendiert ist die Wirkung des balancierenden (negativen) Feedbackloops bei finanzstarken Kassen: durch die Verringerung der Zusatzbeiträge werden deren Finanzreserven vermindert. Auf finanzschwache Kassen soll kein Druck ausgeübt werden.

Indirekt entsteht ein solcher aber doch: wenn sich Krankenkassenkunden aufgrund der (geringen) Höhe des Zusatzbeitrags entscheiden zu einer starken Kasse zu wechseln, schwächen sie ihre ehemalige Krankenkasse zusätzlich; deren Finanzreserven werden noch weiter geschwächt.

Der selbstverstärkende Loop verhält sich also bei starken Kassen als virtuous cycle und stärkt diese noch zusätzlich. Bei schwachen Kassen entsteht aber ein vicious cycle (auch Teufelskreis oder eben „Todesspirale“ genannt): die Lage wird kontinuierlich schlechter. Ein (vermutlich) nicht-intendierter Nebeneffekt der politischen Entscheidung.

 

Das Amazon Schwungrad…

Der ehemalige Amazon-Manager John Rossman beschreibt in seinem Buch „The Amazon Way on IT“ (Clyde Hill, 2016) das grundsätzliche Geschäftsmodell von Amazon als einen Schwungrad-Mechanismus („flywheel model“). Im Buch (S. 123) sieht die Abbildung in etwa so aus:

Natürlich handelt es sich um die Idee einer selbstverstärkenden Rückkopplungsschleife: Wachstum erlaubt Investitionen, die zu niedrigeren Preisen führen, die mehr Kunden und Verkäufer anziehen (auch aufgrund des großen Angebots), und wieder zu Wachstum führen. Rossman benutzt sogar die Begriffe „systems dynamics“ (S. 121) und „systems-dynamic“ (S. 123), um die dahinter stehende Denkweise zu beschreiben.

Allerdings folgt seine Abbildung nicht den bewähren Standards für Kausaldiagramme, weswegen ich hier eine „normgerechte“ Ausführung aufzeige:

Die selbstverstärkenden (positiven) Rückkopplungen kommen so besser zur Geltung. Außerdem habe ich einige weitere Variablen eingefügt, die die angenommenen Kausalverbindungen erklären können. „Wachstum“ ist jetzt keine Variable mehr, sondern ein sich durch die Struktur ergebendes mögliches Verhalten des Systems. Die Variablennamen sind neutral gehalten–was auch insofern sinnvoll ist, da Wachstum eben nicht das einzig mögliche Verhaltensmuster von selbstverstärkenden Rückkopplungen darstellt: das System könnte auch immer mehr schrumpfen (worüber Amazon aber lieber nicht nachdenken will) und wird sicher auch irgendwann an seine Grenzen stoßen.

Spirale der Selbstrechtfertigung

In ihrem Buch „Mistakes Were Made (but not by me)“ (Harcourt, 2007) beschreiben Carol Travis und Elliot Aronson, dass die klassische Sichtweise, dass unser Verhalten von unseren Gedanken und Gefühlen gesteuert seien, falsch ist. Stattdessen argumentieren sie für eine rückkopplungsorientierte Sichtweise. In etwa so:

Unser Verhalten bestimmt also genauso, was wir denken und fühlen, wie anders herum. Unter anderem führen die Autoren dafür mehrere Beispiele von Zeugenaussagen an. Falls wir uns sehr sicher sind, umso mehr weisen unsere Aussagen eine Festlegung in eine bestimmte Richtung auf; je eindeutiger eine Sichtweise vertreten wird, umso sicherer werden wir. Eine selbstverstärkende Rückkopplung:

Ein Teufelskreis, wie er ähnlich auch in den Konzepten „Escalation of commitment“ (Staw), „Path dependeny“ (Arthur), „Boiling Frog metaphor“ (Gore) und „Group Think“ (Janis) zu finden ist. Da es sich um eine tief-verwurzelten psychologischen Mechanismus handelt, ist Abhilfe schwierig. Doch gilt auch hier, wie immer, dass selbstverstärkende Schleifen nicht unendlich wachsen können („Limits to Growth“). Daher können abweichende Fakten und Aussagen uns, wenn auch nur langsam und mit Widerwillen, zum Umdenken bringen: