Das Statement von Dieter Nuhr auf der Seite der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) — bzw. insbesondere seine temporäre Entfernung — hat eine intensive Diskussion ausgelöst, was Wissenschaft kann. Ich befürworte, dass sein Statement wieder online steht, bin aber der Meinung, dass seine Argumentation nicht richtig ist. Er sagt, der von der Fridays-For-Future-Bewegung gebrauchte Slogan „Folgt der Wissenschaft!“ im Zusammenhang mit der Klimakrise sei nicht sinnvoll, da sich die Wissenschaft bzw. deren Erkenntnisse ja ständig weiterentwickeln, eine Ausrichtung an ihr daher wenig zielführend oder sinnvoll sei.
Seine Argumentation (in dem zugegebenermaßen sehr kurzen Testimonial) greift aus drei Gründen zu kurz:
- Warum sollte man nicht eine sich verändernde Basis als Ausgangspunkt für vernünftiges Entscheiden und Handeln heranziehen, wenn diese die beste Grundlage darstellt, die wir haben? Darauf zu warten, dass keine Veränderung der Wissensbasis mehr stattfindet, ist einerseits unrealistisch (da, wie Nuhr ja auch sagt, eine solche ständige Veränderung definitorisch für Wissenschaft ist) und andererseits gefährlich (da dann ggf. Folgen eingetreten sind, die nicht mehr korrigiert werden können).
- Obwohl wissenschaftliche Erkenntnis sich verändert, gibt es doch einen sehr starken Konsens, was die Grundzüge der Klimakrise angeht (im Wesentlichen: menschengemacht durch Ausstoß von Treibhausgasen). Weitere Erkenntnisse sind momentan diesbezüglich nur in Detailfragen zu erwarten, bspw. der konkreten Auswirkungen des Klimawandels in einer bestimmten Region. Und obwohl natürlich ganz prinzipiell die Mehrheit hier falsch liegen kann und die ganz wenigen Forscher mit abweichender Ansicht recht haben könnten: was ist wahrscheinlicher? Stellt wiederum der breite Konsens nicht den besten Ausgangspunkt für vernünftiges Entscheiden und Handeln dar? Und ist die Sympathie für „Außenseiter“ in dem Fall nicht einfach nur die Hoffnung darauf, eben nichts am eigenen Lebensstil ändern zu müssen?
- „Folgt der Wissenschaft!“ ist natürlich ein Slogan und bei seinem Einsatz auf bspw. Demonstrationen eben gerade keine wissenschaftsphilosophische Abhandlung, folglich notwendigerweise verkürzt. Aber um eine solche Verkürzung (und eben keine theoretisch vollständige Diskussion der entsprechenden Sachverhalte) handelt es sich ja auch beim Statement von Nuhr.
Zusammenfassende Antwort zur Frage im Titel der Seite: ja! Mehr dazu bei Scientists4Future.